In diesem Beitrag möchten wir Ihnen einige Gestaltungsprinzipien für Erklärvideos mit an die Hand geben, die dafür sorgen, dass die Rezipient*innen die Message des Videos optimal aufnehmen können und bestenfalls auch erinnern (denn genau das sollte das Ziel jedes Erklärvideos sein).
Um das Ganze wissenschaftlich zu fundieren, machen wir zuerst einen kleinen Ausflug in die pädagogische Psychologie und möchten Ihnen den Multimedia-Effekt und die Theorie der kognitiven Belastung vorstellen, aus denen viele Gestaltungsprinzipien für Multimedia-Präsentationen abgeleitet werden können. Dafür benötigen wir außerdem grundlegendes Wissen zur Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses, welches wir bereits für Sie in einem anderen
Blogbeitrag zusammengefasst haben.
Multimedia-Effekt
Ein vielfach bestätigter Befund der pädagogisch-psychologischen Forschung ist der, dass man üblicherweise besser von einer Kombination aus Worten und Bildern lernt als von Worten allein.
Ein Erklärungsansatz für den
Multimedia-Effekt ist, dass Lernende dazu veranlasst werden, sowohl ein verbales, als auch ein bildhaftes mentales Modell der neuen Informationen zu konstruieren. Die multimediale Darstellung wiederum ermöglicht es den Lernenden, beide mentale Repräsentationen gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis zu verarbeiten. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Verbindungen zwischen den beiden Modellen ausbilden, was laut der Theorie des multimedialen Lernens ein essenzieller Schritt des Verständnisses ist.
Theorie der kognitiven Belastung
Die
Cognitive Load Theory befasst sich mit der Aneignung, Speicherung und Nutzung von Informationen und behandelt in diesem Kontext vor allem die Frage, wie kognitive Belastung entsteht und wie sie vermieden werden kann. Dabei basiert die Theorie primär auf Baddeleys Modell des Arbeitsgedächtnisses und nimmt außerdem an, dass Lernen hauptsächlich darin besteht, neue Informationen mit bereits bestehenden Wissensstrukturen im Langzeitgedächtnis zu verknüpfen. Damit ein Lernprozess stattfinden kann, müssen neue Informationen also organisiert und über das Arbeitsgedächtnis in das Langzeitgedächtnis aufgenommen werden.
Eine entscheidende Hürde sind dabei die begrenzten Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses. Leider nehmen viele Erklärvideos keine Rücksicht auf diese Problematik und behindern den Lernprozess, indem sie durch falsche Designentscheidungen zusätzliche kognitive Belastungen verursachen. Dabei unterscheidet die Cognitive Load Theory zwischen drei grundlegenden Arten von kognitiver Belastung. Eine Art der kognitiven Belastung wird intrinsische kognitive Belastung genannt, da sie durch eine natürliche Komplexität der im Video behandelten Inhalte entsteht. Wenn in einem Erklärvideo beispielsweise die Grammatik einer Fremdsprache erklärt wird, weist das Video eine höhere Komplexität auf, als wenn nur Vokabeln gelernt werden. Die zweite Art kognitiver Belastung ist die irrelevante kognitive Belastung, die entsteht, wenn Videos beispielsweise unnötig kompliziert sind oder das Design sehr komplex ist. Diese Art der kognitiven Belastung sollten Erklärvideos unbedingt vermeiden, damit die kognitiven Ressourcen der Zuschauer*innen zur Aufnahme der Message des Erklärvideos nicht eingeschränkt werden. Einige Gestaltungsprinzipien können dabei helfen.
Redundanzprinzip
Wir alle kennen die typische Powerpoint-Präsentation: nur Text auf den Folien, der noch dazu 1:1 genauso vorgetragen wird. Nehmen Sie viel aus der Präsentation mit? Wahrscheinlich nicht. Das
Prinzip der Redundanz erklärt warum, denn redundantes Material, also Informationen, die gleichzeitig in mehreren Formen präsentiert werden, behindern den Lernprozess eher als dass sie ihn erleichtern. Der Effekt basiert auf der Cognitive Load Theory und wird durch einen Anstieg in irrelevanter kognitiver Belastung begründet, also durch die Konfrontation mit Informationen, die nicht notwendig zum Verständnis des zu lernenden Materials sind. Wenn beispielsweise ein/e Referent*in eine Powerpoint-Präsentation vorstellt und dabei dieselbe Information vorträgt, die bereits auf der Powerpoint-Folie geschrieben steht, ist diese Folie nicht nur unnötig, sondern behindert sogar die Aufnahme der auditiven Information. In einem Erklärvideo sollten also Informationen nicht gleichzeitig bildlich und auditiv dargestellt werden und Untertitel sollten keinesfalls integriert werden, sondern können als Zusatzoption für z.B. hörgeschädigte Menschen bereitgestellt werden.
Signal-Prinzip
In einem Erklärvideo sollte die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen aktiv auf die wichtigen Elemente gelenkt werden. Das hilft ihnen dabei, visuelle Suchprozesse, die wiederum Arbeitsgedächtniskapazität beanspruchen, zu vermeiden. In Erklärvideos können z.B. visuelle Hinweise in Form von farbigen Markierungen, Pfeilen oder auch durch Bewegungen hervorgehoben werden. Es kann außerdem hilfreich sein, Informationen sukzessive entsprechend der Audiospur zu ergänzen.
Kohärenzprinzip
Manchmal ist weniger mehr! Bilder können zwar in den meisten Fällen den Lernprozess unterstützen, jedoch sollte man sich bewusst sein, dass Bilder mehr Aufmerksamkeit binden als Text. Sollten die Bilder also zum Verständnis der Message des Erklärvideos unnötig sein, sollte man darüber nachdenken sie zu entfernen oder sie zumindest so simpel wie möglich zu halten. Sehr schlichte Icons können daher, obwohl sie womöglich nicht so schön anzusehen sind wie kompliziert ausgearbeitete Icons oder realistische Bilder, für manche Erklärvideos besser geeignet sein. Dies trifft vor allem auf akademische Erklärvideos zu. Geht es jedoch um die Akquise von Kunden, sollte eher auf ein qualitativ und optisch ansprechendes Design geachtet werden.
Räumliches und zeitliches Kontiguitätsprinzip
Diese Prinzipien sind recht intuitiv und beschreiben, dass die Aufnahme von Informationen erleichtert wird, wenn zusammengehörige Informationen räumlich und zeitlich nahe beieinander präsentiert werden. Wird das Prinzip der räumlichen Kontiguität nicht befolgt, dann kann
Split Attention eintreten, das heißt der/die Zuschauer*in muss die Aufmerksamkeit auf mehrere Informationsquellen aufteilen, wobei die Augen hin- und herwandern und wiederum eine irrelevante kognitive Belastung entsteht. Daher sind Legenden unter/neben Diagrammen eher hinderlich, wichtige Informationen sollten direkt in Schaubilder integriert werden.
Modalitätseffekt
Dieser Effekt beschreibt den Vorteil einer Multimedia-Präsentation, die sowohl visuelle als auch auditive Hinweise beinhaltet gegenüber einer Präsentation, welche dieselben Hinweise nur mithilfe einer einzigen Modalität vermittelt. Anstatt ein Bild beispielsweise in einem nebenstehenden Text zu erläutern, sollte die dazugehörige Erklärung in ein Audioformat gebracht werden. Dadurch, dass die Informationen von verschiedenen Sinneskanälen (Augen und Ohren) aufgenommen werden, behindern sie sich nicht gegenseitig bei der Verarbeitung. Der Schlüssel zur Minimierung der Arbeitsgedächtnis-Belastung und zur Maximierung der Kontiguität liegt also in der Kombination aus auditiver Präsentation von Text und visueller Präsentation von Bildern, was in Erklärvideos gut umgesetzt werden kann.
All diese Gestaltungsprinzipien machen deutlich, dass nicht jedes Erklärvideo ein „gutes“ Erklärvideo ist, da die bloße Nutzung von Multimedia noch keine Garantie für einen besseren Lerneffekt ist. Im Gegenteil können Multimedia-Einheiten, die nicht auf wissenschaftlich fundierten Prinzipien beruhen, den Lernprozess sogar behindern, sodass das Erinnern der Botschaft des Videos ausbleibt. Die oben aufgeführten Gestaltungsprinzipien sind jedoch eine gute Orientierung, um ein tolles Erklärvideo zu erstellen.